SCHÖNGEIST Interview 2010

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timur_057.jpg SCHÖNGEIST - Timur Karakus im Interview mit HELL-ZONE.de
Juni 2010

"... Album Nr. 2 wird musikalisch etwas härter und textlich kritischer sein. Aber auch die ruhigeren Passagen werden für Überraschungen sorgen ... "

Mit SCHÖNGEIST hat Timur Karakus als erster deutschsprachiger Rocksänger dessen Wurzeln türkischer Herkunft sind, im Jahre 2006 die Idee geboren, den Orient zumindest musikalisch mit dem Okzident zu vereinen.

Timur selbst ist auch bekannt geworden  als Producer des Musikvideos "Schwarze Witwe" von EISBRECHER.

Spätestens nach der Supportournee mit der Letzten Instanz im letzten Jahr sind die Münchener SCHÖNGEIST ein Begriff für deutschsprachigen Dark Rock. Auch wenn Sänger Timur Karakus momentan quasi keine Zeit hat  konnten wir trotzdem mit ihm dieses Interview führen.


 
HELL-ZONE (HZ): Timur, erst mal vielen Dank das es doch noch mit dem Interview geklappt hat! Wie beschreibst Du Euren Musikstil, ist er mit der sogenannten Neuen Deutschen Härte oder eher doch mit Dark Rock zu vergleichen?

Timur: Gerngeschehen keine Ursache. Um die Frage zu beantworten, müsste ich erst wissen wie sich die sog. „neue deutsche Härte“ (neu seit 1995??) und der „Dark Rock“ Deiner Meinung nach definiert? *Zwinker*
Schöngeist
Fassen wir zusammen: NDH z.B. ist ein nach wie vor seinerzeit sehr unglücklich gewählter „Reizbegriff“ von wem auch immer. Die „Neue deutsche Welle“ in den 80er Jahren z.B. war in sich so dermaßen bunt und vielschichtig, welche sich lediglich in ihrem übergeordnet- musikalischen Gesamtkontext vom „alten deutschen Schlager“ differenziert und emanzipiert hat. Oder würdest Du nur um ein simples Beispiel nennen zu wollen, Falco (Rap) und Nena (Mädchen-Pop) in ein und denselben musikalischen Kontext werfen?
Lass uns doch lieber von der, von mir aus „modernen deutschen Rockmusik“ sprechen. Welche sich seit der Mitte der neunziger Jahre etabliert, durchgesetzt und nach wie vor weiterentwickelt hat. Welche Färbungen, Härten, mittlerweile auch „unheiligen“ Unhärten *Zwinker* und Nuancen diese mit sich bringt, ist letztendlich doch nicht mehr entscheidend.
SCHÖNGEIST ist eine moderne deutsche Rock-Band. Interpretiert seine Texte in deutscher Sprache und ist musikalisch breitbandig von zart bis hart, härter und auch mal am härtesten mit einem gesunden Pop-Appeal. Düster/traurigen Harmonien & Elementen aus dem „Gothik“ oder von mir aus auch „Dark“ Genre, fliessen ebenso mit ein, als auch orientalische und elektronische. Die teils orientalisch-medievale Seite ist bei uns u.a. das Alleinstellungsmerkmal.    
 

HZ: Nach Eurem erfolgreichen Debutalbum „Liebeskrieger“ und der grossartigen Tournee mit den Instanzlern, was ging Dir da so durch den Kopf, als Du Zeit hattest es mal wirken zu lassen?

Timur: Ich dachte mir nur Wow was für eine fette Nummer! Das hätte von uns aus noch so weiter gehen können. Es war sowohl die grösste Chance als auch die beste Entscheidung diese Tournee mit der Letzten Instanz zu fahren. So ein Ding ist ein MUSS und die perfekte Schule, für jeden der am Anfang steht und auch ernsthaft etwas im Live-Geschäft werden will.
Die Instanzler sind nicht nur sehr fähige Musiker, sondern auch ganz besondere Menschen - bis hin zu deren Fans. Möchte ich hier in aller Wahrhaftigkeit betonen! Die Grenz-Erfahrung(en) welche man machen konnte bei diesen Fronteinsätzen, war unbezahlbar. Vor allem auch, wie Du mit den leider nicht immer ausbleibenden körperlichen und psychischen Belastungen umgehst, bei so einem ausgedehnten Abenteuer. Du bist ja niemals jeden Tag gleich drauf. Du bist mal krank, du bist mal heiter und auch mal wolkig. Aber du hast in jeder gottverdammten Show 100% perfekt zu funktionieren. Ganz gleich welcher Tag es ist, in welcher Stadt Du bist, welche Zuschauer Du vor Dir hast und wie Du Dich dabei fühlst.
Die Erwartungshaltung der Menschen ist gross und berechtigt. Denn schliesslich bezahlen sie ja auch einen Haufen Schotter dafür, aus ihren Alltag für eine Zeit lang entführt und ordentlich unterhalten zu werden. Da spielt es keine Rolle ob Du selber gerade gut drauf, genervt, müde, erschöpft, zickig, ausgelaugt oder sonst was bist. Einfach Rock´n Roll pur und der härteste aber eben auch schönste Job der Welt.

HZ: Dein Zeitmangel begründet sich z.Zt. darauf dass Du gerade im Studio bist. Kannst Du uns schon einen kleinen Einblick geben in welche Richtung das neue Album gehen wird und wann mit der Veröffentlichung zu rechnen ist?

Timur: Album Nr. 2 wird musikalisch etwas härter und textlich kritischer sein. Aber auch die ruhigeren Passagen werden für Überraschungen sorgen. Es wird kompakter, ausgefeilter und reifer als bei „Liebeskrieger“. Der Mit-Sing und Mittimur_185.jpg-Tanz Faktor deutlich höher, ohne aber die Grenze zum Schlageresken, allzu sehr zu strapazieren. :-)
Ob sich die VÖ von Album Nr. 2 diese Jahr noch verwirklichen lassen wird, ist fraglich, da wir uns etwas Zeit lassen wollen und dieses mal ein wenig „aufwändiger“ produzieren als beim Debut. Ich weiss dass es mittlerweile Usus geworden ist, dass der Markt immer schnell und schneller bedient werden soll und/oder will, weil viele Bands anscheinend Sorge haben, Verluste von Fans oder kalt gesagt, Verluste von Käuferschichten hinzunehmen. Was eigentlich Quatsch ist und aus der Methode heraus wohl damit kalkuliert wird, dadurch die Leiter immer höher, weiter und schneller zu erklimmen. Kann funktionieren, muss aber nicht funktionieren. Persönlich bin ich nicht ganz ein Freund davon.
Musik ist und bleibt Kunst – und Kunst hat Anspruch auf Reife. Und Reife hat Anspruch auf eine gewisse Zeit. Natürlich musst Du auch irgendwo den Punkt finden und setzen wo du sagst, jetzt reicht es. Es ist reif genug. Ich sehe aber auch, wenn man in die allgemeine „Kunstgeschichte“ blickt, daß erfolgreiche Werke wiederum meist in Abhängigkeit zu einer vorgegebenen Zeit entstanden sind. Dennoch finde ich nicht, dass man zwingend um idiotischen Mechanismen gerecht werden zu müssen, spätestens nach 365 Tagen eine Platte auf den Markt geschmissen haben und bis zu 40 Shows pro Jahr gespielt haben muss. Das bewerte ich als inflationären und aufgesetzten Konsumterrorismus den Fans gegenüber und man läuft Gefahr, seine eigene Kreativität, Marke und Gesundheit damit auch relativ schnell abzunutzen. Die selbigen Globalisierungs-Mechanismen lassen sich damit also auch hier in der „Szene“ schön beobachten. In kurzer Zeit solange die Karre noch zieht, mitnehmen was geht. Sorry aber so, nicht meine Philosophie.
Mach nicht zuviel, mach aber auch nicht zu wenig als Künstler. Mach Dich interessant und bleib spannend. Ob eine neue Scheibe jetzt ein, anderhalb oder zwei Jahre später kommt und Du von mir aus nur 10, 15 oder max. 20 Shows in Deutschland spielst ist, wenn Du ne coole Band bist, ist relativ egal. Du wirst nicht gleich vergessen, wenn Du es wert bist, das man sich an Dich erinnert!
 

HZ: Wenn wir gerade bei der Band sind: Wie habt ihr euch kennengelernt und wann entstand die Idee Schöngeist zu gründen?
Timur: Die Idee zu Schöngeist kam - wie kann es sonst auch anders sein - in einer wunderschönen Jugendstil-Kneipe seinerzeit :-) Als man über Gott und die Welt und deren Schnelllebigkeit und Unsicherheit lamentiert hat. Das sich die Menschen nicht mehr die Zeit und die Ruhe nehmen respektive nehmen können, um bewusster zu Leben und zu Geniessen. Eben die schönen Dinge welche uns auch umgeben und Kraft schenken können, wahrzunehmen und ab und an mal fünfe gerade sein zu lassen. So wurde in der Quintessenz der Name geboren. Als wir mit der Produktion von Liebeskrieger fertig waren, stellte ich quasi die Band zusammen. Sprich ich hatte nach den richtigen Musikern und Persönlichkeiten für dieses Projekt gesucht um sie mit Schöngeist für die Bühnen dieser Welt zu gewinnen :-)
 

 

HZ: Einige werden es vielleicht wissen. Neben der Musik hast du noch andere Qualitäten die in der Musik-Clip Produktion zu finden sind. Konntest Du schon mal für ein größeres Projekt arbeiten und warum gibt es von Schöngeist nicht schon längst mal ein klassisches Musikvideo?

Timur: Mmhhh ja war ne Klasse Zeit damals. Also da mich auch schon immer Filme und das Herstellen von Filmen interessiert haben und neben der Musik immer ein Steckenpferd von mir war, hatte ich die Möglichkeit für die Kollegen von Eisbrecher (von hier aus noch mal Herzlichen Glückwunsch zum überragenden Chart Einstieg) zu deren damaligen Debut Album einen Clip für „Schwarze Witwe“ zu produzieren. Ist ein schönes Ding geworden finde ich, weil wir auch was den Inhalt anging, etwas experimentieller gearbeitet hatten damals.
Nun warum haben wir noch kein eigenes Musikvideo? 1. Kostet so etwas ein Schweine Geld :-) und 2. will ein cooler Clip ja auch ordentlich platziert sein. Just for YouTube ist der Spass zu kostspielig meiner Meinung nach und die Wirkung nicht effizient genug. Aber ich denke zu Album Nr. 2 sieht es damit recht gut aus :-)
 

HZ: Kommen wir zurück auf Euren Erfolg. Wie macht Ihr es auf den Boden zu bleiben? Euer Debutalbum ist immer noch sehr präsent, eure Webaktivitäten recht unterhaltsam im Gegensatz zu manch anderen Bands und irgendwie scheint Schöngeist nie zu ruhen.
Timur von SCHÖNGEIST
Timur: Hui langsam bitte langsam. Das ist gerade etwas zuviel der Ehre aber dennoch aufrichtigen Dank dafür. Noch sind wir noch lange nicht auf dem Olymp angekommen. Da ist noch ein gutes Stück harter Weg hin. Also überhaupt kein Grund für uns Bodenhaftung zu verlieren.
Ich finde je mehr „Erfolg“ man hat, desto mehr Spass macht es bescheiden zu sein. Das hat etwas mit Achtung: PSP (Persönlichkeit – Stil – Professionalität) zu tun finde ich. Ich denke aber das ich weiss, worauf Du mit Deiner Frage hinaus willst. Ich erlebe auch manchmal Bands, welche z.B. ab und an mal in Juz´en und kleinen lokalen Clubs ihrer Stadt spielen dürfen und sagen wir mal in ihrem „Gehabe“ etwas über die Stränge schlagen. Gerade in Zeiten des Web wo Du permanent unter Beobachtung und Transparenz stehst, können Dich solche Dinge die Beachtung kosten. Insbesondere was die Selbstdarstellung angeht. Da kann man oftmals wirklich nur die Augen verdrehen und schmunzeln. Also immer schön eine gesunde „Demut“ walten lassen und sich nicht überschätzen.

 

HZ: Wie gestaltet sich Euer Umfeld, gibt es da Leute die im Hintergrund am Schöngeistigen mitarbeiten oder stemmt ihr das alles alleine?
Timur: Mein Produktionsteam besteht im kreativen und handwerklichen Kern mittlerweile aus vier Personen inklusive mir. Da ist zum einen Robert Gagl (Groove2Groove), mit dem ich „Liebeskrieger“ geschrieben und co-produziert habe und seit Herbst letzten Jahres mit im Boot Günther Hausner (thatisfaction) mit dem ich schwerpunktmässig an Album Nr. 2 seit Ende der Tour bruzzle. Als Supervisor haben wir nach wie vor Carlos Perón mit an Bord, welcher uns den letzten Schliff verpasst. Was die Groove Sektion angeht, ziehe ich natürlich auch ab und an unseren Drummer Till zu Rate, welcher uns wertvolle Tipps zum Programming beisteuert und auch den einen oder anderen Track einspielt.
 

HZ: Gibt es außer Schöngeist noch andere Projekte an denen Du mitwirkst und was machst Du privat wenn es Deine Zeit erlaubt?

Timur: Nein. Eine Hochzeit und das sollte erstmal fürs „Leben“ reichen! Irgendwelche anderen musikalischen Liebhaberinnen nebenher zu betreiben, würde eine Ehe in der Regel immer in Gefahr bringen. Ich sage immer, mach eine Sache und mach sie auch verdammt noch mal richtig. Damit hast Du mehr als genug zu tun. Was das private angeht, bin ich dann u.U. auch mal diametraler Auffasung *LACH* Mit dem bisschen Freizeit, welche mir bleibt, versuche ich mich körperlich irgendwie fit zu halten und ganz wichtig, meine Freundschaften zu pflegen. Schwierig genug heutzutage. Aber vor allem mal zur Ruhe zu kommen. Ich habe z.B. überhaupt keine Probleme mit dem Alleine sein.

 

HZ: Was kommt in diesem Jahr noch von Schöngeist?
Timur: Wir werden in den nächsten Tagen nach einem gesunden Abstand von der Tour unser Tourtagebuch-Video in Auszügen online präsentieren, welches u.a. neben anderem Material auch als Bonus DVD auf Album Nr. 2 kommen wird. Seid gespannt. Wird lustig :-) Definitiv ist auch, dass wir dieses Jahr wieder Live auf der Bühne erlebbar sein werden. Voraussichtlich im Juli bei Bochum Total und ganz sicher im September in Arcen (Holland) auf der Elf Fantasy Fair als Co-Headliner von The Gathering. Da freuen wir uns schon tierisch drauf. Für Herbst/Winter planen wir auch noch die eine oder andere Überraschungs-Show.
 

HZ: Zum Abschluss deine letzten Worte an unsere Leser. Was möchtest  du schon immer mal sagen und loswerden?
Timur: Was ich schon immer mal sagen und loswerden wollte ist, das ich diese Frage immer wieder sehr sehr lieb habe :-) Ich bin der festen Überzeugung, dass Deine Leser prächtige Menschen sind, welche auch ohne meine schlauen und weisen Worte, weiterhin blühen und gedeihen werden :-) Aber wer mich mal persönlich um einen Rat oder eine Meinung bittet, der oder demjenige(n) werde ich mich auch sicher nicht verschliessen :-)


Vielen Dank für eure Zeit und das nette Interview. Viel Glück und Erfolg in der Zukunft!
 
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