Interview mit GOETHES ERBEN / Oktober 2005

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Interview mit GOETHES ERBEN / Oktober 2005

Der Weg ist das Ziel...

 

Gerade ist mit "Dazwischen" ein neues Album des Ausnahmeprojekts GOETHES ERBEN auf den Markt gekommen. Wir sprachen über diese Veröffentlichung mit Oswald Henke und Mindy Kumbalek.

Was hat es mit dem "Schattendenken"-Kinderbuch auf sich? Wie steht es um die Zukunft von GOETHES ERBEN? Werden wir Oswald bald als Politiker erleben? Diese und weitere Fragen beantworteten uns die Zwei gern.

Aber lest selbst!

 

Oswald Henke - Goethes Erben

Hell-Zone:
Hallo Oswald und Mindy,
vielen Dank das ihr euch die Zeit nehmt, uns einige Fragen zu beantworten.
In Vorbereitung des Interviews haben wir uns erstmal herrlich duftenden Jasmintee besorgt und den besonderen Geschmack für uns entdeckt… Ohne weitere Umschweife können wir nun loslegen. Leider war es uns nicht vergönnt, eine Station der Schattenreich-Musiktheatertour 2004 live zu erleben. Umso mehr warten wir gespannt auf Veröffentlichungen rund um dieses Projekt. Nach dem Release der limitierten Maxi-CD "Alptraumstudio" folgt nun im Oktober 2005 die Studioproduktion "Dazwischen. Welche Reaktionen habt ihr zu "Alptraumstudio" erhalten können?

Oswald:
Da die Maxi auf 500 Stück limitiert war, fielen die Reaktionen relativ leise aus, zumindest habe ich kaum welche wahrgenommen, aber da fast alle Exemplare verkauft wurden, denke ich, dass die Maxi ihren Zweck erfüllt hat und die Veröffentlichung somit auch Sinn gemacht hat.


Hell-Zone:
Wir konnten uns jetzt mit dem Album "Dazwischen" in Form der Promo-CD beschäftigen und sind begeistert. Das Album vermag in dieser Form zu fesseln und zu überzeugen!
Noch im letzten Jahr habt ihr die Veröffentlichung einer reinen Audio-CD zum Musiktheaterprojekt "Schattendenken" in Interviews für ausgeschlossen erklärt. Ihr wart der Meinung, dass ein Solches ohne Bilder einfach nicht funktionieren kann. Nun kommt also doch die Veröffentlichung des Audioparts als Studioalbum.
Wie kam es zum Umdenken und zu der Entscheidung, "Dazwischen" zu veröffentlichen?

Mindy:
Oswald meinte damals vielleicht, dass die Musik nicht ohne Bilder funktioniert, aber ich bin immer anderer Meinung.
Es ist mein Job als Musikerin, die Inhalte musikalisch vermitteln zu können. Dazu muß man allerdings bereit sein, tief in die Live-Stücke einzugreifen, and das wollen wir nicht unbedingt immer. Manche Sachen sollen nur auf der Bühne stattfinden. Aber hier war es eine schöne Herausforderung, welche ich mir schon vom Anfang an gestellt habe. Man darf nicht vergessen, dass Oswald und ich ein gut eingespieltes Team bilden. Wir ergänzen uns sehr gut, aber wir sind uns nicht identisch. Wenn das so wäre, würde es nicht funktionieren. Daher haben wir oft sehr unterschiedliche Ansichten.
Wir haben schon ein gemeinsames Ziel, aber unterschiedliche Wege dorthin. Oswald:
Mindy hatte beim Album freie Hand und ich bei der DVD Umsetzung von "Schattendenken".


Hell-Zone:
Der titelgebende, neue und melancholisch harmonische Song "Dazwischen" beschäftigt sich mit dem Spiel zweier Liebender miteinander. Inwiefern passt er in das Gefüge des Schattendenken-Projekts?
Warum habt ich euch gerade für diesen Titel als Name für das Album entschieden?

Mindy:
Oswald wird bestimmt gerne ein bisschen zum Text von "Dazwischen" erzählen. Ich kann nur sagen, dass "Dazwischen" nicht die Vertonung von "Schattendenken" ist.
Das Album enthält zwar Elemente davon, aber auch jede Menge mehr. Gerade aus diesem Grund ist der Name "Dazwischen" sehr passend. Der Name gibt uns sozusagen die musikalische Freiheit, alles zu machen, und dementsprechend wurden die Songs dafür ausgesucht. "Zwischenzeit" basiert auf eine sehr alte Idee; die Grundlagen von Text und Musik sind schon etwas älter. Dagegen ist der Titeltrack nagelneu, und da wir nicht wissen, wann und ob wir wieder ein Album veröffentlichen werden, wollten wir es noch unbedingt veröffentlichen.

Oswald Henke - Goethes Erben Oswald Henke - Goethes Erben

Oswald:

In diesem Stück geht es um Sex, ich denke dass sich so der Text auch selbst erklärt, denn jeder Mensch nimmt Körperlichkeit anders war und so soll auch das Stück wahrgenommen werden. Jeder Hörer kann zu diesem Stück seine eigenen Bilder im Kopf entstehen lassen.
Geben und Nehmen ist das Grundthema des Musiktheaterstückes "Schattendenken" gewesen, der Musiktitel ist nicht Teil dieses Stückes gewesen. Aber im Text von "Dazwischen" geht es eben auch um Geben und Nehmen, nur eben in einer anderen Variante... Und da sich das Album selbst auch als ein Dazwischen darstellt, passt das Stück auch wunderbar als Namensgeber für das Album.


Hell-Zone:
Seht ihr "Dazwischen" auch im wörtlichen Sinn als Bindeglied zwischen der 2004er Musiktheatertour und der Veröffentlichung der angekündigten "Schattendenken" DVD-Box an?

Mindy:
Ja, sicherlich spielt das auch eine Rolle. Da Oswald sich genügend künstlerische Zeit für die DVD-Produktion nehmen möchte, wollten wir die Wartezeit dafür mit der Veröffentlichung des Albums etwas verkürzen.


Hell-Zone:
"Zwischenzeit", der zweite neue Song auf dem Album berichtet vom Innehalten, Zurückblicken und dem Zweifel daran in eingeschlagener Richtung weiter zu machen. Spiegelt der Song in gewisser Weise die künstlerische Seele und Verfassung von GOETHES ERBEN wider?

Oswald:
Ja, es ist eine Art Resümee.
Aber man kann auf unterschiedliche Art weitermachen. Ich für meinen Teil möchte zukünftig weniger öffentlich sein.
Und diesen Weg setze ich seit zwei Jahren Stück um Stück um. Die Projekte ERBLAST und ARTWORK wurden abgeschlossen, mein Wirken als Kolumnist ist ebenfalls beendet, die Lesereisen abgeschlossen.
Es heißt aber noch lange nicht, dass Goethes Erben aufhören zu existieren, wir werden nur zukünftig weniger öffentliche Präsenz zeigen. Für jene die unsere künstlerische Arbeit schätzen, werden wir immer ansprechbar sein und wir werden auch in Zukunft auf der Bühne stehen. Nur eine Tournee oder ein neues Projekt nach "Schattendenken" ist derzeit nicht geplant.


Hell-Zone:
Konntet ihr eure Ideen zur Verfilmung der "Schattenreich"-Geschichte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln komplett erfolgreich in die Tat umsetzen?
Seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden? Wie weit sind die Arbeiten am Film fortgeschritten?

Oswald:
Wir haben Album wie Film komplett in Eigenregie finanziert und produziert. Somit haben wir alle Fäden in der Hand und auch keinerlei Zeitlimits die eingehalten werden müssen.
Die DVD wird dann erscheinen, wenn ich mit dem Schnitt des Filmes fertig und zufrieden bin. Da ich derzeit allerdings beruflich sehr wenig Zeit habe, kann das noch eine ganze Weile dauern. Ich hoffe zwar, dass der Film bis Mitte 2006 fertig ist, aber wenn nicht, dann erscheint er eben erst 2007, wir haben keine Eile. Wir produzieren den Film mit den zu uns Verfügung stehenden Mitteln. Das was ich wollte konnte ich filmisch umsetzen ob es gut genug ist veröffentlicht zu werden, nun abwarten...


Hell-Zone:
Was hat es mit dem Kinderbuch auf sich? Ist "Schattendenken" tendenziell auch ein für Kinder geeignetes Thema?

Oswald:
: Das Kinderbuch basiert auf den ersten beiden Märchentiteln des Albums. "Prolog zu einem Märchen" und "Tage des Wassers". Bei der Live-Umsetzung von "Schattendenken" haben wir bereits mit den Bildern als Projektionen gearbeitet, sozusagen ein Art Comicfilm in die Bühnenfassung des Stückes integriert. Diese Zeichnungen sind die Grundlage des Kinderbuches.
"Schattendenken" selbst ist im Ganzen nicht für Kinder geeignet. Ich denke der Film steuert eher auf eine FSK 16 oder 18 zu. Man wird sehen, denn das wird sowieso erst spruchreif, wenn der Film fertig ist und das ist er noch lange nicht, denn einzig die Dreharbeiten sind abgeschlossen.


Hell-Zone:
Im Jahr 2004 wurde von euch bezüglich GOETHES ERBEN eine kreative Schaffenspause auf unbestimmte Zeit angekündigt. Seid ihr seitdem überhaupt schon zur Ruhe gekommen? Immerhin standen ja die Produktion von "Dazwischen" sowie die Aufnahmen zum Schattendenken-Film an.

Mindy:
Eine Pause ist zwar "angekündigt" worden, war aber erst für die Zeit NACH "Schattendenken" und "Dazwischen" gedacht. Es war vielleicht etwas übereilt, sie so früh oder überhaupt anzukündigen.
Eine Produktion dauert bekanntlich Jahre, und die zwei Sachen ziehen wir noch mit voller Kraft durch. Also hat die Pause noch gar nicht angefangen. Aber Pause finde ich eigentlich das falsche Wort.
Tatsache ist, dass wir mit sofortiger Wirkung anders an Goethes Erben herangehen werden. Wir konzentrieren uns auf das Hier und Jetzt und haben keine Lust mehr auf Fragen nach der Zukunft zu antworten. Warum wollen immer alle wissen, was morgen passiert? Wir haben zwei aktuelle Produktionen, die uns gerade viel Freude bereiten. Ich möchte diesen Moment noch eine Weile genießen. Zusätzlich werden wir unsere Aktivitäten in Zukunft etwas genauer aussuchen. Wir machen wirklich nur noch das, was wir wollen, was uns Spaß macht. Und ich persönlich tendiere dazu, nur noch neue Erfahrungen machen zu wollen.
Das Leben ist viel zu kurz, um alles ständig zu wiederholen.


Hell-Zone:
Womit seid ihr Zwei derzeit "außerhalb" von GOETHES ERBEN hauptberuflich beschäftigt?

Mindy:
Ich bin seit Jahren Inhaberin und Geschäftsführerin von einem Übersetzungsbüro. Oswald:
Ich arbeite und verdiene so meinen Lebensunterhalt.


Hell-Zone:
Oswald, welche Reaktionen hast du während der Leserreise "Tendenziell menschenverachtend oder nur trocken formuliert?" und danach zu Deinem aktuellen Buch "Spaziergang durch ein Minenfeld" von den Zuhörern und Lesern bekommen können?

Oswald:
In erster Linie positive Reaktionen. Und vor allem die Erfahrung, dass mir der kleine Rahmen und der relativ geringe Aufwand einer Lesung derzeit besser gefällt, als der Erben-Tross . Außerdem hat es sehr viel Spaß gemacht zu Zweit mit nur einem PKW durch Deutschland zu reisen.


Hell-Zone:
Mindy, sind Deine Pläne für ein eigenes Buch weiter gereift?

Mindy:
Meine erste Buchübersetzung ist schon auf dem Markt. Eigene Bücher sind in Bearbeitung, aber ich habe es nicht eilig. Ich habe viele künstlerischen Projekte und Ideen, von denen ich nicht erzählen möchte. Teilweise arbeite ich unter anderen Künstlernamen. Mir ist die Anerkennung nicht wichtig, nur den künstlerischen Ausdruck.


Hell-Zone:
Ihr habt in diesem Jahr zwei viel beachtete Auftritte im Rahmen des WOODSTAGE-Festival sowie des AMPHI-Festivals absolviert. Welchen Eindruck haben diese Konzerte bei euch hinterlassen?
Gerade bei Festivals mit breit gefächertem Musikspektrum müßt ihr euch mit dem gemischtem Publikum arrangieren und mit unterschiedlichsten Reaktionen rechnen. Sind euch Auftritte in überschaubarem Rahmen nicht in gewisser Weise lieber?

Oswald Henke - Goethes Erben

Oswald:
Beides hat seinen Reiz, wir stehen gerne auf der Bühne. Das "Amphie Festival" war ein sehr schönes Konzert, das "Woodstage Festival" hat uns eher darin bestätigt, dass wir zukünftig bei Open Airs nicht mehr am Tag spielen wollen und werden. Ein Konzert steht und fällt mit dem anwesenden Publikum und dabei ist es egal ob es 100 oder 5000 sind.
Es soll für beide Seiten ein Ereignis sein und keine Pflichtübung. Wenn kein Spaß vorhanden ist macht es wenig Sinn.


Hell-Zone:
Die Szene befindet sich seit einiger Zeit in großem Wandel. Ein negatives Phänomen ist zu beobachten: Künstler und Bands werden erst jahrelang verehrt, zu einem wahren Kult erhoben und dann ab einem gewissen Erfolg plötzlich gemieden.
Wie steht ihr dieser Entwicklung gegenüber?

Oswald:
Wer uns schätzt kann von uns auch in Zukunft etwas erwarten, alle anderen sind uns sowieso egal.
Goethes Erben haben schon immer polarisiert und das wird sich wohl auch in Zukunft nicht ändern. Ich sage eben gerne meine Meinung wenn ich gefragt werde. Ich bin kein Politiker der einen Konsens sucht. Mindy und ich sind kreativ und wir finden es schön, wenn das Ergebnis anderen Menschen gefällt. Wenn es ihnen nicht gefällt, nun es gibt ausreichend Ausweichmöglichkeiten auf Gebrauchsgotik unterschiedlicher Güte.
Wir machen Musik in erster Linie für uns selbst aber wir freuen uns natürlich darüber wenn wir auch andere Leute mit dem erreichen und emotional berühren können, was wir kreativ umsetzen.


Hell-Zone:
Könnte GOETHES ERBEN, die sich eigentlich immer jenseits gängiger Trends, Seh- und Hörgewohnheiten bewegen, unter Umständen auch einmal solches Schicksal ereilen?

Oswald:
Kann sein, wie gesagt es ist mir egal. Wir machen die Musik die uns gefällt, schön, wenn sie auch anderen Menschen gefällt, aber ich kann auch sehr gut nur in einem Proberaum kreativ sein. Zuhörer sind nicht unbedingt von Nöten.
Ich mache seit einem Jahr Musik mit Jochen Schoberth und Tim Hofmann Musik, inzwischen hat sich ein Schlagzeuger hinzugesellt und wir haben bereits 8 Stücke geschrieben und Spaß beim schreiben und Proben derselben. Für mich ist hinsichtlich Musik der Weg das Ziel.


Hell-Zone:
Mal etwas politisch a la "Henke Trocken" an Dich, Oswald: Du bist bekanntlich auch sehr gesellschaftskritisch eingestellt. Wie stehst du zu dem momentanen Rummel um die Neuwahlen? Warst du Wählen?

Oswald:
Natürlich war ich wählen. Nur so kann Demokratie funktionieren. Wer nicht mitspielen will, darf sich im nachhinein auch nicht darüber beklagen, dass man ihm sein "Förmchen" weggenommen hat. Allerdings ist es schwer gewesen eine Wahl zu treffen. Mir scheint es geht nur noch um Profilneurosen und Parteinteressen, als endlich dieses Land wieder auf Kurs zu bringen.
Ich fürchte irgendwann muss ich selbst politisch aktiv werden.


Hell-Zone:
Wir danken euch für das Interview und hoffen auf noch viele kreative bereichernde Jahre von und mit GOETHES ERBEN!

Oktober 2005
Interview geführt von
Falk Scheuring (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) und
Claudia Reichenbach

Bandpage: www.goetheserben.de


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