M'ERA LUNA FESTIVAL 2012
Flugplatzgelände - Hildesheim-Drispenstedt - 10. und 11. August 2012
Die Sonne strahlt vom Himmel, rund um die Landebahnen des Flugplatzes Drispenstedt ist eine Zeltstadt entstanden. Iglus, große Zelte, die einer Kleinfamilie Platz bieten würden, dazwischen Pavillons, und jede Menge schwarz gekleidete Menschen bevölkern den Platz auf dem sonst kleine Flugzeuge aufsteigen und landen.
Das M’era Luna Festival in Hildesheim lockt in diesem Jahr wieder rund 20.000 Besucher aus dem In- und Ausland nach Niedersachsen. Sie sind nicht nur zum Feiern auf dem Zeltplatz angereist oder um sich selbst kunstvoll in Szene zu setzen, sondern auch um Bands wie Placebo, Subway to Sally oder New Model Army live zu erleben.
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Etwas verträumt ist das Publikum angesichts der Uhrzeit noch, als im Hangar NoyceTM aus Düsseldorf auf die Bühne kommen. Sie überzeugen das Publikum, das trotz der frühen Stunde schon zahlreich im Hangar erschienen ist, mit wundervollen, elektronischen Popsongs und liefern eine gute Einstimmung auf den Tag. Während die einen schon die ersten Tanzschritte des Tages versuchen, lauschen die anderen den bedeutungsschweren Texten.
Weiter geht es im Hangar mit dem Auftritt von Jäger 90. Handgemachter, roher EBM knallt den Zuhörern schonungslos um die Ohren, erinnert nicht nur ein klein wenig an DAF. Kein Wunder, Thoralf Dietrich and Vigo Stahlmann bewundern diese Band sehr. Zuerst im langen Mantel auf der Bühne, wechseln sie irgendwann in ihren Kampf-Piloten-Dress, für den sie bekannt sind. Das Publikum tanzt, nicht nur drei Schritte vor und drei zurück, und scheint sich wenig daran zu stören, dass der Sound arg zu wünschen übrig lässt und die Texte kaum zu verstehen sind. Die Band gibt CD’s an die Menge aus – immer und immer wieder fliegen welche ins Publikum.
Kurz vor Ende ihres Sets sind schon wieder die ersten Klänge auf der Hauptbühne zu hören. Nach Symbiotic Systems, Invaders und Grüß August steht hier nun die Konzeptband Heimataerde auf der Bühne. Kettenhemd, Kreuzritter-Optik, elektronische Musik und mittelalterliche Instrumente? Eine wilde Mischung, die Heimataerde da auf die Bühne bringen – den Zuhörern gefällt es. Zum ersten Mal an diesem Tag geht es vor der Hauptbühne hoch her, Arme werden in Richtung Bühne gestreckt, viele Zuschauer tanzen, die meisten klatschen im Takt mit – wenn es denn gewollt und gefordert wird. Voll ist es geworden auf dem Platz vor der Bühne. Viele wollen Hören, was Ashlar von Megalon, der Heimataerde 2004 gegründet hat, zu erzählen hat. Es ist seine düstere Geschichte von den Gefahren und Widrigkeiten, die ihm widerfahren, seitdem er auf der ruhelosen Suche nach seiner Heimataerde ist.
Deutlich härter geht es derweil im Hangar zu. Noisuf-X locken viele bunt-schwarze Cyber-Goths an – doch auch der ein oder andere „Stino“-Grufti findet den Weg in die Flugzeughalle. Harte, elektronische Klänge schallen aus den Boxen, die Anleihen aus dem Acid-House-Projekt, aus dem Noisu-X entstanden sind, sind deutlich zu hören. Die Menge tanzt, obwohl draußen die Sonne vom Himmel knallt und die Hallentemperaturen mittlerweile als tropisch zu bezeichnen sind. Der „Clubhit“ geht sofort in den Körper der Anwesenden, die sich von der Textzeile „I hate this fucking song“ nicht beeinflussen lassen. Jan L. und seine Mitstreiter spulen die Hits ab, die Stimmung ist gut, viele jubeln, gehen mit der Musik mit.
Faderhead sind als nächstes dran, normalerweise ein Garant für gute Stimmung und viele tanzende und glückliche Menschen, schaffen es jedoch nicht, die gute Stimmung, die Noisuf-X aufgebaut haben, zu halten. Der Sound ist nicht gut, wie viel zu oft im Hangar. Und der Funke will nicht so recht von der Bühne auf das Publikum überspringen. Während vorne einige Hartgesottene die Songs wie „Aquire the fire“ und „Fistful of fuck you“ feiern, stehen die hinteren Reihen eher ruhig rum. Sami und der Lord bemühen sich nach Kräften das Publikum zu animieren, vergebens. Zumindest so lange, bis es draußen mit Megaherz weitergeht.
Vor der Hauptbühne ist es mittlerweile richtig voll, ein Meer aus schwarzgekleideter Menschen wartet auf die Rock’n’Roll-Show, die gleich über sie hereinbrechen wird. Nebel wabbert über die Bühne, das Backdrop kündigt an, was geliefert werden wird. Viele neue Songs aus dem aktuellen Album „Götterdämmerung“ und wenige Klassiker, die noch aus der Zeit stammten, als Alexander Wesselsky und Noel Pix von Eisbrecher noch unter dem Namen „Megaherz“ unterwegs waren. Eine gute Entscheidung sich zwar nicht komplett von den Wurzeln zu lösen, aber auf die Eigenständigkeit der Band, die es nach dem Weggang der beiden nicht immer leicht hatte, zu pochen. Direkt zu Anfang des Gigs werden die Fans gefordert: das Mikrofon von Frontmann Lex scheint ausgefallen zu sein, der Song „Jagdzeit“ ist für das Publikum nur als Instrumentalfassung zu hören. Die Fans singen mit, versuchen den fehlenden Gesang von der Bühne wettzumachen. Weiter geht es mit harten Gitarrenstücken, die Fans bleiben auch bei „Heuchler“ und „Prellbock“ weiterhin textsicher, auch wenn das Mikrofon nun doch endlich wieder funktioniert. Die Show ist mitreißend, die Rock’n’Roll-Posen passen, es gibt keine schiefen Töne, keine Aussetzer. Lex flirtet mit dem Publikum, die Herren an Gitarre und Bass rocken sich den Arsch ab, zwischen Publikum und Band entsteht spürbar ein Band. Mit „5. März“ und „Miststück“ wenden sich die fünf Herren auf der Bühne nun doch noch alten Megaherz-Klassikern zu, die vom Publikum ausgelassen gefeiert werden. Insbesondere den letzten Song werden sie am nächsten Tag noch einmal zu hören bekommen, wenn eine andere Band auf der Hauptbühne stehen wird.
Kurze Zeit später recken die Zuschauer ihre Hände in die Höhe, zeigen ein L und ein I – für Letze Instanz. Die Jungs um Sänger Holly zeigen schon mal eine kleine Kostprobe von dem, was die Fans auf dem neuen Album erwarten wird, das Anfang September erscheint. Gleichzeitig kündigt die Band an, dass sie schon bald wieder in der Nähe sein würde. Am 12. Oktober würden sie in Hannover ein Konzert geben. Die Sonne brennt weiter vom Himmel, auch am Nachmittag scheint es immer wärmer zu werden. Auch auf der Bühne. Den Anblick von Cellist Benni Cellini mit nacktem Oberkörper und nackten Füßen sind nicht nur LI-Fans gewöhnt. Aber dass auch Geiger M. Stolz bei der neuen Instanz-Hymne „Von Anfang an“ mit nacktem Oberkörper über die Bühne hüpft, das entlockt vielen weiblichen Fans einige Seufzer. Druckvoll und energisch – ein großartiges Set, kein Wunder, dass die Instanz immer und immer wieder für das Mera Luna gebucht wird.
Diary of Dreams betreten die Bühne und sogleich scheint die Temperatur um einige Grad zu fallen. Während die Letzte Instanz noch für überwallende Stimmung gesorgt hat, sprechen Diary of Dreams andere, tieferliegende Gefühle an. Die Verbindung zwischen Publikum und Band ist spürbar, auch wenn zu den düster-romantischen Songs nicht so ausgelassen abgerockt wird, wie noch bei der Band zuvor. Adrian Hates transportiert die Gefühle der Songs in seiner Stimme, in seiner Mimik, seinen Gesten. Angesichts der knapp bemessenen Zeit des Festival-Gastspiels konzentriert sich die Band auf Songs, die bekannt sind und wagten sich nicht an unbekanntere Stücke. Der Erfolg gibt ihnen Recht – nach dem Gig schaute man vor der Bühne weit und breit nur noch in glückliche Gesichter.
Schwerer das Publikum von sich zu überzeugen, haben es da De/Vision. Seit fast 25 Jahren sind Steffen Keth und Thomas Adam im Geschäft. Dennoch bleibt es Hangar vergleichsweise leer als die gefälligen Synthie-Pop-Melodien aus den Boxen klingen. Die beiden Musiker geben Vollgas, wollen das Publikum von sich überzeugen, schaffen es jedoch nicht euphorische Stimmung aufzubauen. "Binary Soldiers" vom neuen Album „Rocket & Swords“, das gerade erschienen ist, überzeugt in der Vorpremiere. Auch der Rest, wie beispielsweise der Klassiker „Try to forget“, überzeugen musikalisch. Dennoch: der Funke springt nicht über. Vielleicht ist es dem ein oder anderen Synthie-Fan einfach zu warm im Hangar, der den ganzen Tag in der Sonne aufheizen konnte.
Draußen ist es mittlerweile angenehmer, etwas Wind ist aufgekommen, der Abend senkt sich langsam über das Flugplatzgelände. In der Dämmerung sind besonders die Feuershows von Subway to Sally wunderschön anzusehen. Der Platz vor der Bühne ist mittlerweile voll – die Stimmung verursacht eine Gänsehaut nach der anderen. Von einem etwas höher gelegenen Platz aus beobachtet, ist es einfach nur schön anzusehen, wie sich die Arme der Zuschauer im Takt der Musik wiegen, wie sie springen, tanzen und die Texte mitsingen. Optisch und musikalisch sind Subway to Sally auf jeden Fall ein absoluter Höhepunkt des Festivals, den auch die Headliner Placebo nicht mehr schlagen können.
Dazwischen soll es aber noch in den Hangar gehen – Suicide Commando sollten dort den Abend beschliessen. Doch zum ersten Mal am Tag heißt es: zu voll, wir können niemanden mehr reinlassen. Draußen ist zu hören, dass drinnen richtig die Post abgeht. Es ist mit Sicherheit ein weiterer Höhepunkt des Festivals, leider diesmal ohne uns.
Dafür bleibt Zeit, sich bei Placebo ganz weit nach vorne durchzudrängeln, bis in die erste Reihe. Ein Fehler. Eng ist es nicht, aber die tolle Bühnenshow mit großen Leinwänden und viele Lichteffekten von Brian, Steven und Stef wirkt erst aus den hinteren Reihen richtig gut. Dafür ist aber wunderbar die Interaktion auf der Bühne zu beobachten, die Spielfreude, mit der die Band unterwegs ist, seitdem sie ihren Drummer ausgetauscht haben. Mit dabei waren auch noch Fiona Brice an der Violine, sowie Alex Lee an der Gitarre. Diesmal starteten Placebo nicht mit "Battle for the sun" nach dem Intro ins Set, sondern mit einem anderen Song ihres letzten Albums. Weiter ging es mit Klassikern wie „Every you and every me“, "Song to say goodbye" und "Bitter End". Bis die Zeit leider schon so weit fortgeschritten war, dass nur noch „Running up that hill“ von Kate Bush in einer wunderschönen, ruhigen Fassung und das rockige „Infra-Red“ als Zugaben über den Platz schallten.
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